Hallux valgus (häufigste Fehlstellung der Großzehe)
Hallux valgus, bekannt auch als „Ballenfuß“, ist eine Fehlstellung der Großzehe und die häufigste Fehlstellung des Fußes. Betroffen sind 2-4 % der Bevölkerung, vor allem Frauen ab dem 40. Lebensjahr, wobei die Fehlstellung durchaus auch bei Männern oder Jugendlichen beobachtet werden kann. In ca. 10 % der Fälle tritt die Fehlstellung, also der Hallux valgus, schon vor dem 20. Lebensjahr auf. Dies wird dann als ein juveniler Hallux valgus bezeichnet. Der Hallux valgus tritt in den meisten Fällen gleichzeitig auf mit einer Abweichung des ersten Mittelfußknochens zur Körpermitte hin. Diese Fehlstellung des ersten Mittelfußknochens wird in der Medizin als Metatarsus primus varus bezeichnet. Ursachen für einen Hallux valgus können sein: genetische Faktoren und das falsche Schuhwerk (Absatzschuhe, die Spitz zulaufen). Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind vielfältige Ursachen die Gründe für die Fehlstellung. Bisher konnte keine einzelne der diskutierten Theorien mit hinlänglicher Sicherheit bestätigt werden. Trotz strittiger Ursache ist der Grund für die Fehlstellung klar. Es kommt zu einem Einwärtsdrehen der Großzehe, die zu einem (zunehmenden) Ungleichgewicht zwischen an- und abspreizenden Sehnen der Großzehe führt. Die angrenzenden Beuge und Strecksehnen verschlimmern zusätzlich die Fehlhaltung. So ist biomechanisch erklärbar, warum eine beginnende Fehlstellung mit der Zeit zunimmt und eine Spontanheilung nicht möglich ist. Diese Dysbalance der Sehnen wird auch durch Einlagen im Schuhwerk nicht nennenswert beeinflusst, da Einlagen nicht den Verlauf der Sehnen im Inneren des Körpers ändern können. Um einer Hallux valgus Deformität vorzubeugen ist die Wahl eines geeigneten Schuhwerks wichtig. Idealerweise bietet der Schuh genug Raum für die Zehen. Anders ausgedrückt: Schuhe, die die Zehen im vorderen Bereich einzwängen, zum Beispiel Highheels, können einen Hallux valgus verschlimmern. Ein strenger, wissenschaftlicher Beweis wurde für diese Theorie allerdings bisher nicht erbracht.
Konservative Therapie, hat leider nur wenig Aussicht auf Erfolg.
Einlagen
Wie bereits erwähnt, haben Einlagen keinen nennenswerten Einfluss auf den Verlauf der Sehnen im Inneren des Fußes. Die asymmetrischen Sehnenkräfte sind aber maßgeblich für die kontinuierliche Zunahme der Fehlstellung verantwortlich. Einlagen können bestenfalls Beschwerden lindern, die in Zusammenhang mit einem Hallux valgus entstehen, aber nicht den weiteren Verlauf der Fehlstellung beeinflussen.
Zwischenzehenpolster
Gelegentlich werden ein Silikonpolster zwischen der Großzehe und der zweiten Zehe empfohlen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Abweichung der Großzehe durch ein Abstützen gegen die zweite. Zehe abgebremst wird. Der Querschnitt der Großzehe ist ca. 4 Mal so groß, wie der Querschnitt der zweiten Zehe. Die Sehnenkräfte der Großzehe sind dementsprechend größer, so dass ein Zwischenzehenpolster nur zu einer zusätzlichen Abweichung der zweiten Zehe nach außen führt und leider keine korrigierenden Effekte auf die Großzehe hat.
Schuhwerk
Zu enge, meist modische Schuhe verschlechtern die Fehlstellung. Hat die Großzehe im Schuh zu wenig Platz, so verstärkt dies die Dezentrierung der Sehnen und deformiert die Zehe weiter.
Schienenbehandlung
Ein Einfluss von Schienen oder Orthesen auf die Großzehe ist ohne Frage nachvollziehbar. Eine Wirksamkeit auf die Progredienz des Hallux valgus hängt aber maßgeblich davon ab, ob die Schiene Orthese nur Nacht (nur geringe Aktivität der Sehne und damit nur geringe Verschlechterung der Fehlstellung) oder auch tagsüber (hohe Aktivität der Sehne und damit starker Einfluss auf eine Verschlechterung) getragen wird.
Operative Therapie
In den meisten Fällen wird der Arzt eine Korrektur der Gelenkkapsel und der Sehnen mit einer Korrektur des ersten Mittelfußknochens kombinieren. Welches Verfahren angewendet wird hängt davon ab, wie ausgeprägt die Fehlstellung ist. Eine langjährige Hallux valgus Fehlstellung bewirkt ein Schrumpfen und eine Verkürzung der Gelenkkapsel und der Sehne auf der Außenseite des Großzehengrundgelenkes. Will man das Gelenk wieder korrekt aufeinanderstellen, müssen die so verkürzten Sehnen und Bänder geweitet werden. Dieses Manöver wird als laterales Release bezeichnet. Auf der Innenseite dagegen sind die Gelenkkapsel und die Sehnen geweitet und müssen deshalb gerafft werden. Zusätzlich trägt der Operateur den Knochen auf der Innenseite des Mittelfußköpfchens vorsichtig ab. Die Gelenkfläche sollte dabei aber erhalten bleiben. Nachdem das Gelenk durch Weitung auf der Außenseite und Raffung auf der Innenseite wieder zentriert wurde, muss die Abspreizung des ersten Mittelfußknochens mittels Korrekturosteotomie korrigiert werden. Dazu stehen mehrere Operationsverfahren zur Verfügung:
Bei leichten bis mittelschweren Fehlstellungen werden die meisten Fußchirurgen eine V-förmige Verschiebeosteotomie des ersten Mittelfußköpfchens durchführen. Die Verschiebeosteotomie wird als Chevron oder Austin Osteotomie bezeichnet. Großer Vorteil der Chevron Osteotomie ist: Der Fuß kann sofort wieder belastet werden.
Die Scarf-Osteotomie – der Allrounder – Verfahren mit viel Korrekturpotential bei mittelschweren Fehlstellungen. Hierbei handelt es sich um eine z-förmige Verschiebeosteotomie des ersten Mittelfußknochens. Im Bereich des Mittelfußköpfchens ähnelt die Scarf-Osteotomie der Chevron-Osteotomie. Der plantare (untere) Schenkel der Osteotomie wird jedoch bis in die Mitte des Mittelfußknochens ausgedehnt. Die Scarf-Osteotomie wird deshalb auch als diaphysäre Osteotomie bezeichnet. Bei der Scarf-Osteotomie kann, ähnlich wie bei der Chevron-Osteotomie, der operierte Fuß direkt nach der Operation belastet werden. Die Scarf-Osteotomie gilt als technisch anspruchsvoll, erlaubt jedoch, in den Händen des Geübten, mehr Korrektur als die Chevron-Osteotomie – bei voller Belastbarkeit des Fußes nach der Operation.
Bei höhergradigen Fehlstellung muss die Korrektur näher am Ort der Fehlstellung vorgenommen werden. Die Fehlstellung ist im ersten Tarso-Metatarsalgelenk lokalisiert. Der Mittelfußknochen selber ist nicht verändert, sondern weicht im Gelenk zur Innenseite ab. Somit kommen alternativ Korrekturosteotomien des proximalen Mittelfußknochens oder eine korrigierende Arthrodese des ersten Tarso-Metatarsalgelenkes in Betracht. Ein Arthrodese – also eine Versteifung oder Ruhigstellung des Gelenkes – hat keine langfristigen negativen Auswirkungen auf die Belastbarkeit oder Funktion des Fußes. Die Abrollbewegung im Zehengrundgelenk bleibt erhalten, so dass die Patienten sich auch nach der Operation in der Wahl ihrer Schuhe nicht einschränken müssen. Nach einer Arthrodese mit einer winkelstabilen Platte ist eine Teilbelastung sofort nach der Operation mögich. Nach wenigen Wochen kann der Fuß bereits in einem speziellen Schuh voll belastet werden. Sechs Wochen nach der Operation kann die knöcherne Heilung per Röntgenaufnahme bestätigt werden. Danach ist eine Belastung in einem herkömmlichen Schuh möglich. Zum weiteren Schutz empfiehlt sich eine Sohlenversteifung mit einer Mittelfußrolle für drei Monate. Vor allem, wenn der Patient längere Gehstrecken zurücklegen muss.
Verschiedene Varianten der Korrektur sind möglich. Alle Kor
Verschiedene Varianten der Korrektur sind möglich. Alle Korrekturosteotomien gelten als technisch anspruchsvoll und nur eingeschränkt belastbar. Auch in diesem Bereich wurden durch die Verwendung modernen, winkelstabiler Platten Fortschritte mit einer rascheren Belastbarkeit des Fußes erzielt. Nicht zuletzt spielen persönliche Präferenzen des Chirurgen eine Rolle bei der Auswahl der Operationsverfahren.
Prognose
Durch modere, gelenkerhaltende Korrekturverfahren kann in den meisten Fällen eine vollständige Korrektur der Fehlstellung erreicht werden. In 5-10 % der Fälle ist etwa ein Jahr nach dem Eingriff, eine leichte Nachkorrektur, Metallentfernung etc. empfehlenswert. Dabei handelt es sich meist um einen kleinen ambulanten Eingriff mit geringer Ausfallzeit.
Häufig gestellte Fragen
In der Regel genügt ein Aufenthalt von 4-5 Tagen. Nach der Operation ist der Fuß für 48 Stunden durch einen „Schmerzkatheter“ betäubt und damit schmerzfrei. Am zweiten Tag nach der Operation wird der Schmerzkatheter entfernt und erstmals der Verband gewechselt. Danach sollten Sie unter krankengymnastischer Anleitung an zwei Unterarmgehstützen („Krücken“) gehen. Sobald Sie die erforderliche Entlastung bzw. Teilbelastung sicher beherrschen und die Schmerzen mittels Medikamenten reduziert sind, dürfen Sie das Krankenhaus verlassen. Bei kleineren Operationen dürfen Sie bereits am Folgetag nach dem ersten Verbandswechsel das Krankenhaus verlassen.
Klein weniger aufwändige Korrekturen sind auch als ambulante Operation durchführbar. Bei mittelgroßen bis großen Korrekturen ist jedoch eine stationäre Behandlung zu empfehlen wegen konsequentere Schmerztherapie und lernen unter krankengymnastischer Anleitung optimal sich fortzubewegen.
Der Fuß hat, wie auch die Hand, haben eine hohe Dichte an Nerven. Der Arzt wird den Schmerzen nach der Operation wirksam begegnen. In diesem Zusammenhang hat sich insbesondere die Betäubung des Fußes durch einen Schmerzkatheter bewährt. Eine konsequente Schmerztherapie nach der Operation trägt wesentlich zu einer raschen Rehabilitation bei.
Ja. Liegen allerdings sehr ausgeprägte Fehlstellungen vor, ist damit zu rechnen, dass später Einlagen erforderlich sind.
Ja. In aller Regel können Sie später wieder „normales“ Schuhwerk tragen.
Schuh mit Absatz sind generell für starke Belastungen der Füße ungünstig. Selbst ein gesunder Fuß sollte für Sport oder für eine Wanderung mit einem dafür geeigneten Schuh geschützt werden. Bei entsprechenden gesellschaftlichen Anlässen wird man nicht auf einen modischen Schuh verzichten wollen, der dann auch einen etwas höheren Absatz haben darf. Das ist auch nach einer operativen Korrektur eines Hallux valgus möglich. Allerdings sollten Sie in der Frühphase nach der Operation (einige Monate) die Zehe möglichst nicht in eine erneute Fehlstellung zwängen. Die Raffung der Gelenkkapsel auf der Innenseite sollte in Ruhe heilen können.
Ja. Allerdings wird es einige Wochen brauchen, bis die Schwellung Ihres Fußes vollständig zurückgegangen ist.
Etwa 14 Tage nach der Operation. Im Zweifelsfall sollte die Fäden etwas länger im Fuß belassen werden. Bei starker Schwellung kann es bei zu frühzeitiger Entfernung der Hautfäden zu einem Klaffen der Wunde kommen.
Das hängt von der Größe der Operation und der typischen Belastung des Fußes am Arbeitsplatz ab. Nach kleineren Korrekturen ist eine sitzende Tätigkeit nach 4 Wochen möglich. Bei größeren Korrekturen und starker Belastung der Füße (viel auf den Beinen unterwegs) kann die Arbeitsunfähigkeit bis zu 3 Monaten dauern.
In aller Regel nicht. Allerdings können die Prozesse, die die Fehlstellung über Jahrzehnte haben entstehen lassen, auch nach einer vergleichbaren Zeitspanne wieder zu einem Hallux valgus führen.
In den meisten Fällen nicht. Sowohl die Materialen (Titan) als auch die Position der Schrauben und Platten wird so gewählt, dass eine Entfernung nicht erforderlich ist. Sollten es dennoch gewünscht oder erforderlich sein, ist eine Metallentfernung in aller Regel als ambulante Operation mit sofortiger Belastbarkeit des Fußes möglich (Sie sind etwa zehn Tage arbeitsunfähig), da der Knochen ja nicht erneut durchtrennt und verschraubt werden muss.
Liegt beidseits eine leichte Fehlstellung vor, die durch eine sofort belastbare Korrektur korrigiert werden kann, ist eine simultane beidseitige Korrektur möglich. Muss aber an einem Fuß neben dem Hallux valgus noch eine weitere Zehe (z.B. Hammerzehe) korrigiert werden, oder ist der Fuß nach der Operation nicht sofort belastbar, ist eine beidseitige Korrektur nicht empfehlenswert.
Leider sind die Möglichkeiten der Einflussnahme gering. Es gibt keinen Beleg für die Wirksamkeit von Einlagen oder Gymnastik. Allerdings kann man den Gebrauch von engen Schuhen (Pumps) einschränken.
Die Wirksamkeit von Einlagen auf die Progredienz der Fehlstellung ist nicht belegt und unwahrscheinlich. Einlagen können die Verlagerung der Sehnen, die für das Voranschreiten der Fehlstellung verantwortlich sind, nicht beeinflussen. Kommt es im Rahmen einer Hallux valgus Fehlstellung aber zu Schmerzen unter dem Vorfuß, können Einlagen diese Beschwerden durchaus lindern.